Lebens|t|räume Magazin

Ausgabe Dezember 2022

Wunder des Lebens
Dr. Ruediger Dahlke: Wunder des Lebens – Ent- und Wiederverzauberung der Welt
Antje Gäbelein-Reuter: Wunder des Lebens
Dr. Hans Endres: Der wahre Sinn von Advent und Weihnachten
Lara Weigmann: Schon immer ist eine WEIHE-Nacht als eine Einweihungsnacht gefeiert word
Birgit Damer: Märchen von Steinen und Sternen

Zur Besinnung
Lara Weigmann/Wolfgang Maiworm: Danke, Du wunderbarer Frosch

…und vieles mehr

Weihnachten – Fest der Geburt.

Geburt – das ist die Quelle meines Daseins in der Form, im Körper. Und es ist die Geburt des sicheren Todes dieser Form, wenn sie von der Quelle bis zur Mündung im Fluss von Zeit und Raum im Diesseits gelebt hat.

Da gab es nichts Dauerhaftes. Nur ein ständiges Fließen, Veränderung und Verwandlung. Keine Sicherheit, nur ewige Augenblicke des Sterbens und gleichzeitigen Auferstehens. Träume von etwas Verlässlichem und Beständigen zerplatzten wie Seifenblasen. „Ein feste Burg ist unser Gott“ erwies sich als Trugbild, denn die Vorstellung, dass sich nichts mehr ändern würde, wenn man ihn erst einmal gefunden habe, war falsch.

Der Lebensfluss zeitigte die Erfahrung, dass sich Freude aus Leid ergibt, dass im Dunklen das Licht geboren wird, dass alles Anklammern nichts hilft – und die Furcht vor dem Tod mehr und mehr verschwindet, je mehr ich das Leben in seiner Fülle angenommen und restlos ausgekostet habe.

Ich habe gelebt, bin nun fast 78 Jahre jung/ alt – und bereite mich auf das Sterben vor. Das ist die Natur in ihrer totalen Wahrheit: Der Fluss mündet in das Unermessliche des Meeres. Mein Name und die Beschreibung meines Selbst gehen ins Nichts. Keine Bedeutung mehr. Kein Ego mehr. – Dauer war und ist Täuschung.

In diesem Bewusstsein will ich nicht mehr den Fluss des Lebens aufhalten. Ich freue mich auf das Unbekannte und das Unerwartete, auf die Überraschung, das Neue. – Ja, ich habe es bereits in den letzten Jahren erfahren, wie einzigartig der Augenblick ist, wenn er von

Erwartungshaltungen befreit ist, wenn Wünschen und Hoffen als die Leidensspender erkannt sind.

Es gab die Zeit, da ich die Vorstellung hatte, dass das Junge, das Frische, Frühlingshaf te erhalten bleiben müsse – und dann sah ich die Idiotie dazu einziehen, das Älterwerden manipulativ aufzuhalten: durch immer mehr Plastik-Ersatz, Transhumanismus, Vermeidung von natürlichem rhythmischen Transformationsgeschehen. – So wachgerüttelt, habe ich gerade im Gesundheitsbereich wahrgenommen, wie relativ Gesundheit ist, wenn Krankheiten vermieden und nicht als Auf frischung der Gesundheit verstanden werden. Ist es nicht so, dass nur ein Toter nicht krank werden kann? Doch die Wissenschaf t versucht, Krankheiten zu besiegen – und muss feststellen, dass immer mehr neue Krankheiten entstehen. Die Natur deckt es auf: Wenn eine Krankheit „besiegt“ ist, entsteht eine noch gefährlichere. – Allein im Ayurveda ist ansatzweise die Wirklichkeit erkannt, dass die Natur heilt, wenn man ihr Zeit lässt. Man muss als Patient (Geduldiger) Geduld haben. Es ist wahr: Durch Krankheit wird Gesundheit schön (Heraklit).

Mir ist klar: Das Gute und das Böse, Gesundheit und Krankheit, gehören genauso zusammen wie der Heilige und der Sünder, gehören genauso zusammen wie Geburt und Tod, wie schlafen und wachen, jung und alt, Tag und Nacht, Sommer und Winter, Überfluss und Mangel, Männliches und Weibliches.

Als Astrologe füge ich hinzu: Alles kommt zu seiner Zeit und nichts kommt vor seiner Zeit. Im vorbestimmten einzigartigen Gesetz, nach dem der Mensch inkarniert ist, vollzieht sich das Leben im natürlichen Rhythmus. Im Samen liegt die Frucht. Das ist sicher. Und im

Anfang liegt das Ende. Auch das ist sicher; ganz unabhängig vom Eifer, vom Wollen des Einzelnen.

Bemühe dich, aber nimm dich nicht zu wichtig. Sei hellwach und sei sicher, dass die Reife zur rechten Zeit erfolgt. Folge einfach dem Fluss des Lebens. – Dann offenbart sich der Kreislauf des Lebens. Manche sagen: Zwischen Empfängnis und Leichenbegängnis nichts als Bedrängnis. Ich sage: Nichts ist ewig, weder Abschied, noch Trennung, noch Zusammenkunft, noch Vereinigung. Alles kreist im ewigen Wechsel. –

Weihnachten – der Höhepunkt des Lebens und Sterbens im Bewusstsein eines Angelus Silesius:

Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren. – Dazu gehört untrennbar zum „Wunder des Lebens“: Das Kreuz auf Golgatha kann dich nicht von dem Bösen, wo es nicht auch in dir wird aufgericht, erlösen.

Herzlichst, Wolfgang Maiworm