Liebe Leserinnen und Leser,
es ist ein besonderes Jubiläum für mich, in diesem Monat 50 Jahre Selbständigkeit zu feiern. Ich war also 25 Jahre alt, als ich die Frankfurter Societätsdruckerei verließ. Hier ging ich in die Lehre als Verlagskaufmann und war später in der Anzeigenleitung der Frankfurter Neuen Presse; hier lernte ich wunderbare Menschen kennen, vor allem auch – und das soll heute mein Thema sein – hervorragende Journalisten und Redakteure, die mir für meine selbständige Tätigkeit als Herausgeber verschiedener Verlagsobjekte Werte mitgaben, die ich als besondere Tugenden für mich erkannte.
Zur Societät gehörten damals u.a. die Frankfurter Neue Presse, die Abendpost-Nachtausgabe, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die
Scala und der Societäts-Buchverlag.
In all diesen genannten Presse-Bereichen gab es herausragende Journalisten. Von einigen will ich dankbar berichten, in dem Gedanken,
dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, anhand der hier wiedergegebenen Aussagen nachprüfen, ob von dieser Art „Würde der journalistischen Berufung“ noch etwas übriggeblieben ist. Wenn nicht, gehen wir unvermeidlich den Weg in eine mehr oder weniger bewusst gewordene Diktatur der Bewusstlosen, der Lobbyisten, dem Egoismus erlegenen Würdelosen.
1964 starb Friedrich Sieburg. In der Naacher-Buchhandlung in Frankfurt war ein ganzes Schaufenster mit seinen Büchern geschmückt. Er war der Vollblut-Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der seinen Beruf in dieser Weise beschrieb: „Eine schlechte Presse ist immer noch besser als eine gelenkte Presse, zumal, da das letztere das erstere nicht ausschließt… Zu guter Letzt kommt es auf den Journalisten an, nicht auf die Presse….Hart am Ereignis zu sein, der Zeit im Nacken zu sitzen, auf Strömen zu treiben und sie zu lenken, ins kleinste Wort die größte Weltweite zu drängen und zu wissen, dass es nie einen siebenten Tag für ihn geben wird, das macht die Einzigartigkeit dieses Berufes aus, der jeden Beruf ausschließt und doch alle in sich vereinigt. Gebt ihm, dem Magier, ein weißes Blatt und einen schwarzen Stit, und sogleich wird das Schwarzweiß der Welt so krätig vor euch stehen, dass es von Farben leuchtet….Es werden Zeiten kommen – und sie sind schon dagewesen – wo die Menschenwürde schließlich nur noch in den nicht ganz geplegten Händen des Journalisten liegen wird, der seiner Würde selbst nicht immer ganz sicher ist.“
Sie sind nicht „schon dagewesen“, sie sind gerade jetzt gegeben. Doch aus meiner Sicht gibt es nur noch wenige, die einem Friedrich
Sieburg das Wasser reichen können. Es ist ja auch schwer, die hohen Erwartungen an Unabhängigkeit zu erfüllen, wo es doch um die
Suche nach Einluss und Macht geht.
Da war es zum Beispiel aus heutiger Sicht mutig oder uneinsichtig, dass ein anderer Journalist, der Mitherausgeber der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung war, Erich Dombrowski, die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges als „von geistiger Verwirrung“, „Hass“ und
„Vergeltungssucht“ Getriebene bezeichnete, weil sie von einer „deutschen Kollektivschuld“ sprachen. Seine Artikel, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen, las ich als Nachkriegskind mit Begeisterung. Später, als ich kurzfristig Berater der Mainzer Allgemeinen Zeitung war, hörte ich viele Stimmen, die ihn im Nachruf als leitbildhate Persönlichkeit für eine „unabhängige Presse“ priesen.
Einer, der ebenfalls die Frankfurter Allgemeine Zeitung prägte und allein durch seine Präsenz und aufrechte Haltung Würde repräsentierte, war Benno Reifenberg. Wenn ich ihm auf den Fluren des Verlages begegnete, verneigte ich mich innerlich vor einem aufrechten Zeitungsmann, dessen Feuilleton-Berichte ich wie Muttermilch aufnahm. Er brachte mir Goethe nahe – damals, als er die Dankesrede zur Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt hielt.
Bei der Frankfurter Neuen Presse gab es drei Journalisten, die ich, weil ich mit ihnen zusammenarbeiten durte, besonders ins Herz
geschlossen habe: Richard Kirn, Jutta Thomasius und Wendelin Leweke. Sie haben noch eine Tugend vertreten, die heute weitgehend
verlorenging: die Trennung von Redaktion und Anzeigen. Sie waren die Sprachrohre Frankfurts und prägten die Kultur dieser Stadt
maßgeblich mit. Wer Wendelin Lewekes Bücher nicht kennt, hat etwas versäumt. Schauen Sie nach „Gretchen und die Nitribitt“ oder
„Frankfurter Brunnengeschichten“ oder „Hibb und dribb de Bach“. Viele sogenannte „Kollektive“ (Sonderveröfentlichungen zu einem bestimmten Frankfurter Thema“) gestaltete ich mit ihm. Er war ein Journalist, wie er im Buche steht – mit allen Licht – und Schattenseiten, die zu einem Total-Engagement gehören – bis zum Ignorieren der Gesundheit.
Einer, der äußerlich ot krank aussah, bleich und ausgemergelt, war Richard Kirn, der Leiter der Lokalredaktion. Seine Glossen als „Leberecht“ waren meine ständigen Begleiter auf dem Weg zu meiner eigenen Neigung, in Anekdoten Wahrheiten zu verpacken bzw.
Ereignisse in einem Stil zu vermitteln, der das Sachliche ins Poetische trägt.
Und dann Jutta W. Thomasius, die große Seele des Frankfurter Journalismus, die erst kürzlich starb; sie wurde 96 Jahre alt. Als „Gesicht der Frankfurter Neuen Presse“ war sie in aller Munde. Ich gehe einen Schritt weiter: Sie war das Gesicht Frankfurts. Keine Journalistin hat Frankfurt so glaubwürdig vertreten wie sie. Als sie mich im Johanniterhof in Villingen-Obereschach besuchte, war sie schon eine alte Dame, doch das Feuer in ihren Augen, ihr sprühender Geist und ihre aufregende Wachheit waren ungebrochen. Sie sagte zuletzt „Ich will mit Anstand sterben“. Ich kann nur aus meiner Erinnerung an sie sagen: Das, was sie immer vermittelte, war äußerst anständiger Journalismus. Es war ein Engagement für Mitmenschlichkeit, ein Kaleidoskop ihrer Begegnungen mit jenen, die den Zeitgeist prägten, wie zum Beispiel der Boxer Cassius Clay, Zoodirektor Bernhard Grzimek, Schauspieler Gert Fröbe, Baulöwe Jürgen Schneider. Doch das Nachhaltigste, das, was einfach zu ihr gehörte, waren ihre Hunde, die sie stets mit sich führte, wo immer sie hinging.
Zuletzt will ich aus der Reihe der Glaubwürdigen noch einen herausstellen, der bei der „Frankfurter Rundschau“ seine Karriere begann
und dann im Fernsehen Furore machte: Rainer Holbe. – Sie kennen ihn? Wenn nicht, lassen Sie sich erinnern an die „Starparade“
an „Unglaubliche Geschichten“, „Phantastische Phänomene“, alles Erfolgsserien im Deutschen Fernsehen, die Beispiele für mutigen
Journalismus waren und als Spiegel des Zeitgeistes dienen durten. Rainer Holbe lebt in Frankfurt-Sachsenhausen und ist dort ein
leuchtendes Beispiel für das, was vom Leben übrigbleibt: Ein freudvoll zurückblickender Großvater, der auch dieses Stadium zu beschreiben weiß: im Buch „Wir neuen Großväter – Der schönste Job der Welt“. – Ohne ihn wäre die Welt ärmer! – Das meine ich ganz
ernst, denn er hatte die Möglichkeit, als aufrechter Journalist zum exoterischen Weltbild ein esoterisches hinzuzufügen, was ja nur heißt, nicht nur die Peripherie der Welt da draußen zu betrachten, sondern auch nach innen, in den individuellen Seelenkern zu schauen, um dann gemäß des Goethe-Wortes seine Arbeit als Schreiberling jeglicher Couleur von innen nach außen zu verrichten: „Natur kennt weder Kern noch Schale. Alles ist sie mit einem Male. Dich prüfe du nur allermeist, ob du mehr Kern oder Schale seist.“
Scala und der Societäts-Buchverlag.
In all diesen genannten Presse-Bereichen gab es herausragende Journalisten. Von einigen will ich dankbar berichten, in dem Gedanken,
dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, anhand der hier wiedergegebenen Aussagen nachprüfen, ob von dieser Art „Würde der journalistischen Berufung“ noch etwas übriggeblieben ist. Wenn nicht, gehen wir unvermeidlich den Weg in eine mehr oder weniger bewusst gewordene Diktatur der Bewusstlosen, der Lobbyisten, dem Egoismus erlegenen Würdelosen.
1964 starb Friedrich Sieburg. In der Naacher-Buchhandlung in Frankfurt war ein ganzes Schaufenster mit seinen Büchern geschmückt. Er war der Vollblut-Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der seinen Beruf in dieser Weise beschrieb: „Eine schlechte Presse ist immer noch besser als eine gelenkte Presse, zumal, da das letztere das erstere nicht ausschließt… Zu guter Letzt kommt es auf den Journalisten an, nicht auf die Presse….Hart am Ereignis zu sein, der Zeit im Nacken zu sitzen, auf Strömen zu treiben und sie zu lenken, ins kleinste Wort die größte Weltweite zu drängen und zu wissen, dass es nie einen siebenten Tag für ihn geben wird, das macht die Einzigartigkeit dieses Berufes aus, der jeden Beruf ausschließt und doch alle in sich vereinigt. Gebt ihm, dem Magier, ein weißes Blatt und einen schwarzen Stit, und sogleich wird das Schwarzweiß der Welt so krätig vor euch stehen, dass es von Farben leuchtet….Es werden Zeiten kommen – und sie sind schon dagewesen – wo die Menschenwürde schließlich nur noch in den nicht ganz geplegten Händen des Journalisten liegen wird, der seiner Würde selbst nicht immer ganz sicher ist.“
Sie sind nicht „schon dagewesen“, sie sind gerade jetzt gegeben. Doch aus meiner Sicht gibt es nur noch wenige, die einem Friedrich
Sieburg das Wasser reichen können. Es ist ja auch schwer, die hohen Erwartungen an Unabhängigkeit zu erfüllen, wo es doch um die
Suche nach Einluss und Macht geht.
Da war es zum Beispiel aus heutiger Sicht mutig oder uneinsichtig, dass ein anderer Journalist, der Mitherausgeber der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung war, Erich Dombrowski, die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges als „von geistiger Verwirrung“, „Hass“ und
„Vergeltungssucht“ Getriebene bezeichnete, weil sie von einer „deutschen Kollektivschuld“ sprachen. Seine Artikel, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen, las ich als Nachkriegskind mit Begeisterung. Später, als ich kurzfristig Berater der Mainzer Allgemeinen Zeitung war, hörte ich viele Stimmen, die ihn im Nachruf als leitbildhate Persönlichkeit für eine „unabhängige Presse“ priesen.
Einer, der ebenfalls die Frankfurter Allgemeine Zeitung prägte und allein durch seine Präsenz und aufrechte Haltung Würde repräsentierte, war Benno Reifenberg. Wenn ich ihm auf den Fluren des Verlages begegnete, verneigte ich mich innerlich vor einem aufrechten Zeitungsmann, dessen Feuilleton-Berichte ich wie Muttermilch aufnahm. Er brachte mir Goethe nahe – damals, als er die Dankesrede zur Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt hielt.
Bei der Frankfurter Neuen Presse gab es drei Journalisten, die ich, weil ich mit ihnen zusammenarbeiten durte, besonders ins Herz
geschlossen habe: Richard Kirn, Jutta Thomasius und Wendelin Leweke. Sie haben noch eine Tugend vertreten, die heute weitgehend
verlorenging: die Trennung von Redaktion und Anzeigen. Sie waren die Sprachrohre Frankfurts und prägten die Kultur dieser Stadt
maßgeblich mit. Wer Wendelin Lewekes Bücher nicht kennt, hat etwas versäumt. Schauen Sie nach „Gretchen und die Nitribitt“ oder
„Frankfurter Brunnengeschichten“ oder „Hibb und dribb de Bach“. Viele sogenannte „Kollektive“ (Sonderveröfentlichungen zu einem bestimmten Frankfurter Thema“) gestaltete ich mit ihm. Er war ein Journalist, wie er im Buche steht – mit allen Licht – und Schattenseiten, die zu einem Total-Engagement gehören – bis zum Ignorieren der Gesundheit.
Einer, der äußerlich ot krank aussah, bleich und ausgemergelt, war Richard Kirn, der Leiter der Lokalredaktion. Seine Glossen als „Leberecht“ waren meine ständigen Begleiter auf dem Weg zu meiner eigenen Neigung, in Anekdoten Wahrheiten zu verpacken bzw.
Ereignisse in einem Stil zu vermitteln, der das Sachliche ins Poetische trägt.
Und dann Jutta W. Thomasius, die große Seele des Frankfurter Journalismus, die erst kürzlich starb; sie wurde 96 Jahre alt. Als „Gesicht der Frankfurter Neuen Presse“ war sie in aller Munde. Ich gehe einen Schritt weiter: Sie war das Gesicht Frankfurts. Keine Journalistin hat Frankfurt so glaubwürdig vertreten wie sie. Als sie mich im Johanniterhof in Villingen-Obereschach besuchte, war sie schon eine alte Dame, doch das Feuer in ihren Augen, ihr sprühender Geist und ihre aufregende Wachheit waren ungebrochen. Sie sagte zuletzt „Ich will mit Anstand sterben“. Ich kann nur aus meiner Erinnerung an sie sagen: Das, was sie immer vermittelte, war äußerst anständiger Journalismus. Es war ein Engagement für Mitmenschlichkeit, ein Kaleidoskop ihrer Begegnungen mit jenen, die den Zeitgeist prägten, wie zum Beispiel der Boxer Cassius Clay, Zoodirektor Bernhard Grzimek, Schauspieler Gert Fröbe, Baulöwe Jürgen Schneider. Doch das Nachhaltigste, das, was einfach zu ihr gehörte, waren ihre Hunde, die sie stets mit sich führte, wo immer sie hinging.
Zuletzt will ich aus der Reihe der Glaubwürdigen noch einen herausstellen, der bei der „Frankfurter Rundschau“ seine Karriere begann
und dann im Fernsehen Furore machte: Rainer Holbe. – Sie kennen ihn? Wenn nicht, lassen Sie sich erinnern an die „Starparade“
an „Unglaubliche Geschichten“, „Phantastische Phänomene“, alles Erfolgsserien im Deutschen Fernsehen, die Beispiele für mutigen
Journalismus waren und als Spiegel des Zeitgeistes dienen durten. Rainer Holbe lebt in Frankfurt-Sachsenhausen und ist dort ein
leuchtendes Beispiel für das, was vom Leben übrigbleibt: Ein freudvoll zurückblickender Großvater, der auch dieses Stadium zu beschreiben weiß: im Buch „Wir neuen Großväter – Der schönste Job der Welt“. – Ohne ihn wäre die Welt ärmer! – Das meine ich ganz
ernst, denn er hatte die Möglichkeit, als aufrechter Journalist zum exoterischen Weltbild ein esoterisches hinzuzufügen, was ja nur heißt, nicht nur die Peripherie der Welt da draußen zu betrachten, sondern auch nach innen, in den individuellen Seelenkern zu schauen, um dann gemäß des Goethe-Wortes seine Arbeit als Schreiberling jeglicher Couleur von innen nach außen zu verrichten: „Natur kennt weder Kern noch Schale. Alles ist sie mit einem Male. Dich prüfe du nur allermeist, ob du mehr Kern oder Schale seist.“
Das möge jeder, der als Journalist oder Redakteur
tätig ist, verinnerlichen. Dann fällt der
Gefälligkeitsjournalismus weg. Dann wird aus
Meinung LIEBE.
tätig ist, verinnerlichen. Dann fällt der
Gefälligkeitsjournalismus weg. Dann wird aus
Meinung LIEBE.
Herzlichst, Wolfgang Maiworm