Tiefer Blicken: Lauschen, Spüren, Wahrnehmen

Lebens|t|räume Magazin – Ausgabe März 2025

 

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Wolfgang Maiworm, E-Mail: wolfgang@lebens-t-raeume.de, Website: www.wolfgangmaiworm.de

Liebe Leserinnen und Leser,

die Wahlen zum Deutschen Bundestag liegen hinter uns – und vor uns liegt das Thema der Migration, das zum bevorzugten Wahlkampfthema berufen war. Die gewählten, nun regierenden Parteien sind sich einig, dass die deutschen Grenzen mehr als bisher gesichert werden müssen.

Für manches gilt zwar, dass Vorhaben mit europäischem Recht nicht vereinbar sind, doch angesichts der in vielen Ländern Europas gleichermaßen existierenden Probleme, wie wir sie im Zusammenhang mit Migranten vorgeben, werden wohl die Gesetze demnächst allgemein gebeugt – und das Gesetzlose, Herzlose und Mörderische wird zum Alltag gehören.

Mir ist schon klar, dass ich mit nachfolgender Betrachtung bei vielen von Ihnen einen empfindlichen Nerv treffe, denn es ist natürlich, dass man seine Grenzen verteidigen will. Es fängt beim eigenen Körper an, führt über erworbenes Eigentum zu Ländergrenzen, Konfessionsgrenzen, Werte-Grenzen.

Sie fühlen sich angesprochen? – Gut!

Sie erinnern sich an 2015: Jeden Tag kamen 10.000 neue Flüchtlinge über die deutschen Grenzen. „Wie lange geht das so weiter? Wie sollen wir sie unterbringen oder gar integrieren? Aufnahme oder Abwehr? Obergrenze oder Kontingente?“ So wiederholt Franz Alt in seinem Angela Merkel gewidmeten Buch *Flüchtling* die damals gestellten Fragen.

Er zitiert aber auch Antworten, zum Beispiel jene des Ökonomen Marcel Fratzscher, der sagt, die Ausgaben für Flüchtlinge seien „Investitionen in eine Zukunft für uns alle“ … „Gelingt die Integration, ist dies ein Gewinn für alle.“

Und was ist heute? Flüchtlinge werden nicht als unsere Brüder und Schwestern angesehen, sondern man spricht von den „Ausländern“. Dies, obwohl alle vordergründig zustimmen, dass man jeden so behandeln möge, wie man selbst behandelt werden möchte. Dies, obwohl sich viele „Gläubige“ nennen und Jesus als Vorbild in ihrem Munde führen.

Und wie wurden die Flüchtlinge in Deutschland behandelt, als sie 2015 Einlass begehrten, weil sie in Not waren? Über 700 Anschläge wurden auf Flüchtlingsheime verübt – und der Verdacht kam auf, dass „…der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem einst das Nazi-Ungeheuer kroch“.

Was damals geschah, geschieht auch heute noch: Barmherzigkeit, Warmherzigkeit, Nächstenliebe, Empathie sind im dunklen Keller individueller Seelen verkümmert. Stattdessen herrscht neurotische Angst vor dem Fremden, und der Ruf nach einer geschlossenen deutschen Gesellschaft wird immer lauter.

Peter Spiegel, zitiert von Franz Alt, sagt: „… wer sich im Zeitalter der Globalisierung und des sich bildenden digitalen Weltgehirns in Nationalismus flüchtet, verpasst den Anschluss an die EINE Welt.“

Es geht um den Abschied von der Ich-Kultur!

Ein Beispiel dazu gab im Herbst 2015 der CDU-Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, als nach einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in seiner Stadt herauskam, dass der Brand aus Wut auf die Flüchtlinge gelegt worden war.

Er sagte: „Jetzt nehmen wir erst recht Flüchtlinge auf. Und zwar 100 mehr als ursprünglich vorgesehen.“ Einzige Bedingung: Es sollten Bürgerkriegsflüchtlinge und möglichst Familien sein. Das würde die Akzeptanz erhöhen und die Integration erleichtern.

In einem Interview stellte dieser Bürgermeister fest, dass ihn das Gerede seiner Kollegen über die „Grenze der Belastbarkeit“ nerve. Man könne in Deutschland noch mehr Flüchtlinge unterbringen. Das sei eine Frage der inneren Haltung.

„Angela Merkel hat recht, wenn sie sagt: *Wir schaffen das.* Wir müssen es nur wollen.“

Angela, der Engel, wurde die Retterin in der Not, aber nachfolgend als „Traumtänzerin“ beschimpft. Die Pfarrerstochter in ihr ließ vernehmen:

„Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt noch anfangen müssen, uns dafür zu entschuldigen, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mehr mein Land.“

Ist es noch Dein und mein Land?

Die CDU – und erst recht der von Angela Merkel nicht geliebte Friedrich Merz – haben sich angesichts der Probleme, die sich immer mit dem Fremden, Andersartigen, Feindlichen ergeben, von einer Willkommenskultur abgewandt.

Sie sind für die Verteidigung der nationalen Grenzen. Sie wollen nicht mehr integrieren, da es zu Gewalttaten dieser „Ausländer“ kam. Das Böse soll an der Grenze abgewehrt werden.

Was sagt der Weise Laotse dazu?

„Wenn jedermann weiß, das Gute ist gut, schon ist das Böse da… Sein und Nicht-Sein erzeugen einander.“

Würde man dies allgemein verstehen, würde man nicht in Unterscheidungen steckenbleiben, sondern würde sich bemühen, das hinter den Taten Liegende zu begreifen.

Es ist die andere Hälfte des „verlorenen Paradieses“, die wiedergefunden werden will, vereint werden will.

Ja, es ist das Schwerste, denn es bedeutet, die Ich-Kultur, das ausufernde Ego, nicht nur in Frage zu stellen, sondern zu überwinden. Aus dem „haben wollen“ würde ein „sein wollen“ werden. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit würden wieder mit Sinn erfüllt werden, wären keine abgedroschenen Phrasen mehr.

Was sind die Widerstände?

Ein erfahrener Zeitgenosse, der sich viel mit dem Flüchtlingsproblem beschäftigte, sagte:

„Wir haben kein Flüchtlingschaos, sondern ein administratives Chaos. Die deutsche Bürokratie ist ein größeres Problem als die Flüchtlinge.“

Franz Alt gehört das Bundesverdienstkreuz und angesichts seines Lebenswerkes – wenn es ihn denn gäbe – der Jesus-Nachfolge-Orden.

Er sagt im 2015 geschriebenen, heute mehr denn je aktuellen Buch *Flüchtling*:

„Eine gelingende oder misslingende Integration hängt weitgehend vom Umgang mit unserer natürlichen Angst vor dem Fremden ab. Angst ist eine seelische Rüstung, die wir uns anlegen, wenn es auf Abwehr ankommt. Angst überdeckt Mitgefühl.

Das hat freilich zur Folge, dass wir uns abschotten, unsere Sicherheit über alles stellen und das große Ganze aus den Augen verlieren. Angst macht uns arm und krank. Wir werden verhärtet, wenn die Angst uns besetzt hält.

Diese Grundängste werden immer aktiv, wenn sich persönliche oder gesellschaftliche Veränderungen anbahnen. Je mehr wir als Kind mit unseren Grundängsten allein gelassen wurden, desto weniger Urvertrauen haben wir als Erwachsene in die Lösungsmöglichkeiten neuer Herausforderungen und desto mehr fürchten wir uns vor Fremden.

Dann werden aus Flüchtlingen ‚gefährliche Menschen‘, die unsere Sicherheit, unseren Wohlstand, unsere Arbeits- und Studienplätze gefährden.

So wird manchmal aus Angst sogar Hass, der dazu führt, dass Flüchtlingsheime brennen. – Die Deutschen zwischen Hilfe und Hass, zwischen Mitgefühl und Angst.“

Wo stehen Sie?

Erkennen Sie die Doppelmoral im Zusammenhang mit den Heimatlosen, die unser Land bereichern?

Erkennen Sie, dass auch Sie einmal ein Flüchtling waren oder sind – ob äußerlich oder innerlich?

Erkennen Sie, dass Jesus und der Dalai Lama für unsere ethische Haltung gerade als Flüchtlinge Vorbilder sind?

Folgen wir dem Cover-Text des vorliegenden Buches *Flüchtling*:

„In der drängenden und dringlichen Flüchtlingsfrage dürfen wir unser christliches und humanistisches Gedächtnis nicht verlieren.“

Herzlichst,
Wolfgang Maiworm